Wenig Papier, viel Aufwand: Öffentliche Buchverbrennungen der Frühen Neuzeit als materielles Problem...

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Bibliographische Detailangaben
Titel: Wenig Papier, viel Aufwand: Öffentliche Buchverbrennungen der Frühen Neuzeit als materielles Problem;
Beteiligte: Bellingradt, Daniel
In: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte, 16, 2014, S. 28-48
veröffentlicht:
Franz Steiner Verlag
Medientyp: Artikel, E-Artikel

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weitere Informationen
Umfang: 28-48
ISSN: 1438-4485
veröffentlicht in: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte
Sprache: Deutsch
Inhaltsangabe

<p>Die europäische Epoche der Frühen Neuzeit ist maßgeblich gekennzeichnet durch eine Publikationsfreudigkeit: Beobachtungen, Meinungen, Widerlegungen, Korrekturen, Anmerkungen oder Antworten auf vorherig Publiziertes führten zu immer neuen Akten der Verschriftlichung und Drucklegung. Am anderen Ende der epochentypischen Publizität stand, wie schon in Antike und im Mittelalter, die zensural-motivierte Verbrennung ausgewählter Publikationen als »ungewollte« Stimmen. In diesem Aufsatz geht es um die typischen materiellen Probleme dieser als Strafe konzipierten und zeremoniell inszenierten Bücherverbrennungen, die sich im Modus des öffentlichen Spektakels vollzogen. Absentes, reduziertes, kontingentiertes oder zu flüchtig verbrennendes (bedrucktes) Papier machte diese symbolisch aufgeladenen Ereignisse nämlich zu Veranstaltungen im Zeichen des Mangels. Mittels zusätzlicher inszenatorischer bzw. zeremonieller Aspekte versuchten die Ausrichter das Problem kompensatorisch zu lösen: Tendenziell galt hierbei, je weniger Papier verfügbar war, desto mehr Aufwand musste betrieben werden. Fallbeispiele aus Frankfurt am Main, Köln, Hamburg und Rom zeigen die Logik des materiellen Mangels in Zeremonie-Verlängerungen (durch separates Zerreißen von Publikationen), Zeremonie-Ausweitungen (durch Galgen- oder Prangernutzung) sowie in angesammelten kollektiven Buchverbrennungen, um überhaupt eine Zeremonie gewährleisten zu können. The early modern period is characterized by a lively culture of written and printed participation that almost constantly stimulated new streams of commenting, correcting, answering and observing (paper-based) media in extenso. However, at the other end of the increased use of publications we see censoring activities like book burnings aimed to punish certain »unwanted« voices. This article deals with the material problems of these public book burning ceremonies. Missing books, very small books, reduced numbers of books available, or books subjected to limiting-quotas, and, in general, too fast burning paper made these events to happenings of shortage. Through the use of additional ceremonial aspects, the organizers of book burnings tried to solve the shortages. In doing so, it was almost always the case that the less paper was available, the more effort was exerted in the rituals. As is demonstrated by eighteenth-century Frankfurt (Main), Cologne, Hamburg and Rome, the situations of shortage motivated the organizers to extend the ceremonial procedure by either ripping the publication to pieces before burning or often using gallows or pillories in order to make the ceremony happen at all.</p>