Stumme Zeugen. Fotografische Bildevidenz am Rand der Wahrscheinlichkeit

Gespeichert in:

Bibliographische Detailangaben
Beteiligte: Müller-Helle, Katja (VerfasserIn)
veröffentlicht:
diaphanes 2014
Teil von: Zeitschrift für Medienwissenschaft, Jg. 6, Heft 11: Dokument und Dokumentarisches (2/2014), 37-48. DOI: http://dx.doi.org/10.25969/mediarep/1191
Medientyp: Artikel, E-Artikel

Get it

Diese Ressource ist frei verfügbar.
Inhaltsangabe

Den Physiker Gustav Theodor Fechner beschlichen in den 1870er Jahren Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Experimentalanordnung, die Karl Freiherr von Reichenbach ihm in einer disparaten Zusammenstellung aus Präparaten, Magneten, Metallen und gewöhnlichen Eiern in einem Hotelzimmer als avanciertes Evidenzgefüge für die von ihm entdeckte Odkraft präsentierte. Umso erstaunlicher, dass die Lehre vom Od – einer die gesamte Welt durchströmenden Kraft – bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ex negativo als Aktant zur Stabilisierung anerkannter Wissensordnungen auftrat. Der Beitrag verfolgt am Beispiel des Ods wie sich an der epistemologischen Grenze ungesicherter Fakten und kanonisierter Wissensbestände Beglaubigungsstrategien durch fotografische Aufzeichnungen herausbildeten. Jenseits einer Spur des Realen, welche im Register der Ähnlichkeit den Wirklichkeitsbezug fotografischer Dokumente verbürgt, geht es um Konstellationen technisch-apparativer Anordnungen, diskursiver Praktiken, medialer Verbreitungen und institutioneller Autorisierungsprozesse, in denen Bilder als Dokumente erst Wirksamkeit erlangen.

In the 1870s fundamental disbelief crept up on the physicist Gustav Theodor Fechner, when Karl Freiherr von Reichenbach presented him with an experimental setting of disparate ingredients including preparations, magnets, metals and ordinary eggs in a hotel room to prove the existence of his newest discovery – the force of Od. Even more astonishing is that until the beginning of the 20th century, the theory of Od functioned – ex negativo – as an actant to stabilize regimes of established knowledge. With regards to the case of Od, this paper examines the epistemological boundary of uncertain facts and canonized knowledge that produced strategies of verification via photographic recordings. Over and above an index of the real, which is evoked by the register of mimesis ascribed to photographic documents, the text aims to analyze constellations of technical-instrumental ensembles, discursive practices, mediated distributions and institutionalized authorization, in which images attain effectiveness as documents in the first place.